LOST IN COMMUNICATION

 

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… oder das ideale Kochrezept zur Kommunikation im Projektalltag in TRANSFER TOGETHER.

Zu meinen Lieblingsseiten gehört Chefkoch.de. Das Erproben neuer Rezepturen lockt mich stets aufs Neue. Und mein iPad hat die heimische Küchenzeile schon längst erobert. Doch was hat Kochen mit Kommunikation zu tun? Was verbindet die beiden Themen außer dem K am Wortanfang? Wie sieht die perfekte Rezeptur für die Kommunikation in einem sehr heterogenen Projekt aus? Wie stellt man sicher, dass nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht oder am Ende gar alles versalzen ist? Dann binde ich mir mal meine virtuelle geblümte Kittelschürze um und wage mich an den Kochtopf.

Man nehme: ein Projekt, ein Projektleiter (der selbst zwei Büros hat), 15 wissenschaftliche Mitarbeiter/innen und 13 Professor/innen an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg, eine Mitarbeiterin – meine Wenigkeit – bei der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH – Dienstsitz in Mannheim. Die Heidelberger-Küchencrew sitzt an sechs Standorten. (Ein Hoch an dieser Stelle auf die Erfindung Campusuni! Aber alle in einem Gebäude und an einem Ort, wäre doch für ein Transfer-Projekt echt zu easy.) Am Projekt inhaltlich beteiligt sind insgesamt vier Cluster mit zehn Teilprojekten. Also viele leckere Zutaten. Zu gründen ist noch das Transferzentrum, wobei die vier Subprojekte bereits inhaltlich arbeiten (derzeit kocht das Transfer-Team in einer ehemaligen Chemie-Küche, die exemplarisch für den Laborcharakter steht und ihren ganz eigenen Charme versprüht), mindestens 15 beteiligte Disziplinen und gefühlt 1001 Kommunikationskanäle. Dazu fünf Jahre Zeit, um ein leckeres Galamenü zuzubereiten.

Vegetarisch oder vegan?

Wie stellt man sicher, dass alle Akteure nicht an einander vorbei kommunizieren? Wie bekommt man mit all diesen Zutaten ein leckeres Essen bzw. eine gelungene Projektkommunikation gekocht? Und was wollen wir überhaupt gemeinsam kochen? Wie bedient man die persönlichen Vorlieben; denn während es der eine eher herzhaft mag, mag es der andere süß und der dritte am liebsten salzig und die Temperatur des Essens ist ja nie allen recht? Also Fast- oder Slow Food? Omas Apfelkuchen oder lieber Fleisch, Vegetarisch oder Vegan? Weil es so viele unterschiedliche Bestandteile und Wünsche gibt und es nun in meiner Küche sommerlich warm wird, schnipple ich diesmal alles zusammen für einen leckeren sommerlichen Obstsalat – wobei wir im Projekt wahrlich keine Pflaumen und faule Äpfel haben.

Vorab: Ich habe noch never ever einen Blogartikel geschrieben und folge dem Motto meines Deutsch-Lehrers „Avanti Dillentanti!“ Um dem geneigten Blogbesucher einen Überblick über die mir im Projekt TRANSFER TOGETHER zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle zu ermöglichen, erfolgt hier eine Auflistung meiner Küchenutensilien.

Für meinen kommunikativen Projekt-Obstsalat nehme man:
  • ein Festnetztelefon (ich würde mir wünschen, dass ich beim Obstschnippeln mit den Comedian Harmonists singen könnte: „Kein Schwein ruft mich an, keine Sau interessiert sich für mich…“),
  • ein Diensthandy (die Nummer dieses Kochbuchs habe ich geerbt und es rufen mich oft auch Leute an, die mit der Vorbesitzerin sprechen wollen und nein ich weiß wirklich nicht wo sie was in ihrer Küche hingeräumt hat und ich kenne auch keine Rezepte von ihr),
  • ein Privathandy mit WhatsApp (oh ja einige Projektkollegen haben die Nummer – aber psssst… und bitte nicht alle jetzt Katzen-/Hunde- oder Kinderbilder bzw. Cocktailrezepte schicken),
  • eine dienstliche E-Mailadresse (noch dazu drei private, die ich aber keinem verrate),
  • 2 Projektwebsites (dienstlich, gerüchteweise gibt es echt Leute, die das Kontaktformular nutzen oder den Newsletter zum Projekt abonnieren),
  • der Kommunikationschannel Slack (erinnert mich voll an meine ICQ-Zeit am Gymnasium),
  • diesen Blog (der mir echt am kommunikationsfernsten ist und ich noch keinen Plan habe, was ich davon halten soll, aber ich habe nun lange genug prokrastiniert und alle Tupperschüsseln von links nach rechts geräumt),
  • folgende Social Media Kanäle: Xing (privat, wobei immer mehr Dienstkontakte mir eine Anfrage schicken), Twitter (rein dienstlich), Facebook und Skype (strictly privat).
  • Ja, es gibt ihn auch noch: den guten alten Brief (toll, wenn er Gehaltsabrechnungen oder Weiterbildungsangebote bringt, traurig wenn es wieder nur Rechnungen sind).
  • Hinzukommen zahlreiche Kochevents vom standardisierten Jour Fixes (immer wieder montags trifft sich das Kochteam der Metropolregion und immer donnerstags ist Kitchenday im TRANSFER-TOGETHER-Team an der Hochschule) und zahlreiche Meetings, Innovation Kitchen-Meetings Koordinationsrunden bilaterial oder in anderen Konstellationen.

Einen Monat verspätet zum Küchenteam dazugestoßen, ereilte mich die Botschaft, dass das Kommunikationstool Slack als Hauptkochkanal dienen soll. Ziel ist die direkte Vernetzung zu forcieren. So gibt es Channels, in die alle posten können (z.B. zum Kickoff) und somit ein kollaboratives Gemeinschaftskochen aktiv gelebt wird. Auch die Chatfunktion (Direktnachrichten zu Einzelköchen oder auch Gruppenchats zum kollaborativen Brutzeln und Braten) sind aus meiner Sicht sehr zweckdienlich. Die operativen und wissenschaftlichen Mitarbeiter schnippeln ihr Gemüse mit Slack auch mit einer großen Selbstverständlichkeit. Die am Projekt beteiligten Professoren erreicht man hingegen über die klassischen und tradierten Kanäle. Nur der Küchenmeister, Projektleiter Professor Christian Spannagel, nutzt Slack extensiv oder hat er als IT-Crack vielleicht einen Socialbot programmiert? Slack bietet somit eine sehr praktische Obstschale, die alle Birnen, Trauben, Äpfel, Mangos (bitte in Igelform geschnitten), Orangen (bitte filettieren), Bananen (erst ganz zum Schluss hinzufügen) zusammengeführt werden an und bringt alle medial an den Küchentisch – nur schade, wenn das Angebot nicht von allen genutzt wird.

Innerhalb des Transferprojekts werden nur formale Prozesse und datenlastiges per E-Mail geklärt oder die Korrespondenz mit außenstehenden Personen. Die Projektbeteiligten präferieren trotz des Slack-Fokus unterschiedliche Kommunikationskanäle. So gibt es Telefonier-Fans, „lass-uns-mal-darüber-bei-einem-Kaffee-austauschen“-Anhänger, lieber doch eine E-Mail-mit-mindestens-20-Leuten-in-cc-Schreiber, SMS-/WhatsApp-/Slack-Vielschreiber oder auch Projektbeteiligte, die mir in Slack eine E-Mail ankündigen, um danach anzurufen, ob ich sie auch erhalten habe. Ich versuche mir die präferierte Kochshow (ich persönlich bevorzuge ja Topfgeldjäger mit Stefan Henssler) bei jedem zu merken, liege aber beim Grundrezept manchmal auch daneben. So habe ich schonmal die frische Zitrone für die Spritzigkeit des Obstsalats vergessen. Jedenfalls ist mir es lieber eine Nachricht zweimal auf verschiedenen Kanälen zu erhalten, solange sie konsistent ist. Allemal besser als diejenigen, die abtauchen und sich grad gar nicht an der allgemeinen Küchenschlacht beteiligen. Bis auf Rauchzeichen, Buschtrommeln, Tauben und Pferdepost haben wir innerhalb des Projekts zum Austausch von interdisziplinären Kochrezepten schon ziemlich viel probiert.

Ein Kommunikations-Pottpourri

Bemerkenswert ist die Vernetzung der diversen Kanäle, das sogenannte Fusion Food. So schreibe ich im Büro in Mannheim eine Slack-Nachricht an meinen Kollegen Max Wetterauer, seines Zeichens Social-Media Beauftragter im Projekt, und rase zum Bahnhof, um den Zug nach Heidelberg zu erwischen und erhalte zwischenzeitlich Max‘s Antwort auf meine Slack-Frage. Blöd, dass ich Slack nicht auf dem Diensthandy nutzen darf/soll (eigentlich auf dem Laptop auch nicht, aber wie soll ich denn dann überhaupt im Projekt mitarbeiten). Aber ich bekomme ja nun die Benachrichtigung mit dem Text per E-Mail. Daraufhin schreibe ich Max, da ich ja Slack nicht von unterwegs nutzen kann, eine SMS vom Diensthandy. Worauf er mir mit einer Slack-Nachricht antwortet (wieder weiter geleitet per Mail), dass sein SMS-Budget am Monatsende schon verbraucht sei. Und was mache ich dann? Als clevere Küchenchefin wechsele ich die Küchenutensilien. Und rufe ihn von unterwegs aus an, um dann festzustellen, dass die Deutsche Bahn mal wieder ein Funkloch hat.

Schon die interne Kommunikation in der Projektküche ist spannend und der kollaborative, agile Ansatz herausfordernd, damit nicht viele Köche den Obstsalat verderben. Zuständig bin ich für die Vernetzung und den Transfer zwischen der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und Bildungsakteuren der Region Rhein-Neckar; beispielsweise aus Unternehmen, Kommunen, formale und non-formale Bildungsträger, Vereinen oder NGOs. Ich ziehe somit von Kochtopf zu Kochtopf und hebe viele Deckel hoch bzw. kaufe verschiedene spannende Zutaten auf dem Markt der Möglichkeiten ein.

“The medium is the message”

Ups, jetzt hätte ich fast die Granatapfelkerne im Obstsalat vergessen: Bei mir kommt dann noch die Außenkommunikation in andere Küchenstudios hinzu. So koche/kommuniziere ich mit einem Startup-Gründer anders als mit einem Finanzvorstand eines DAX-Unternehmens, mit einem Verwaltungsvertreter anders als mit einem Vereinsvorsitzenden. Linguistisch betrachtet ziehe ich verschiedene sprachliche Register bzw. wähle aus unterschiedliche Basisrezepturen und koche auf dem passenden Kanal oder um es mit dem Kommunikationsguru Marshall MacLuhan zu sagen: „The medium is the message”.

Für die ausführliche Lektüre des Kommunikationskochbuchs Friedemann Schultz von Thun und seines dreibändigen, lebenspraktisch orientierten Werkes “Miteinander reden” bleibt mir aufgrund weitere Aufgaben, die weit über die reine Kommunikation hinausgehen, leider keine Zeit und so vergesse ich auch mal die Wirksamkeit der 4-Seiten-einer-Nachricht. Ich hoffe man sieht es mir nach.

Dies führt mich zu meiner Top-5 der offenen Fragen:
  1. Wie merke ich mir, wer am liebsten wie kocht? Also wer am liebsten telefoniert, wer am liebsten slackt, smsts, whatssapped, twittert oder sonst wie mit mir kommunizieren?
  2. Wie geht man mit akuten Fressattacken um? Was macht man, wenn der Sous Chef den Kopf in die Küche steckt, das Festnetztelefon und das Diensthandy zugleich klingeln und gleichzeitig E-Mails und Slack-Nachrichten aufploppen?
  3. Wieso gibt es in der Bundesrepublik Deutschland immer noch so viele Funklöcher und warum schmeckt es mir nie im Speisewagen?
  4. Welches Kaltgetränk passt zum Obstsalat? Ich trinke nämlich keinen Kaffee. Was ist also die adäquate Antwort auf „Lass uns darüber mal bei einem Kaffee austauschen?“
  5. Und last but not least: Wird überhaupt jemand diesen Blog-Artikel bis zum Ende lesen?

Zum Abschluss fügen wir dann noch leckeres Bourbon-Vanilleeis hinzu und genießen in der Sonne unseren frischen Obstsalat. Mal schauen, was es das nächste Mal im Kochstudio gibt.

Melanie Seidenglanz, Team, Transfer Together, MRN
Melanie Seidenglanz

Melanie arbeitet als Transfermanagerin bei der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH. Gemeinsam mit Julika und Timo treibt sie die Vernetzung der PH mit der Region gezielt voran. Als Sprachwissenschaftlerin fühlt sich Melanie von kommunikationstheoretischen Fragestellungen magisch angezogen. Zu Melanies Projektseite.

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Comments (3)

[…] Vernetzung der PH mit der Region gezielt voran. Als Sprachwissenschaftlerin fühlt sich Melanie von kommunikationstheoretischen Fragestellungen magisch angezogen. Zu […]

Danke für Deinen Artikel.
5. Nachdem ich ihn überflogen habe und nichts kapiert habe, er jedoch interessant klang habe ich von vorne bis hinten gelesen 🙂

1. Am Anfang in das (digitale) Adressbuch als Notiz schreiben. Später hast Du das im Kopf und im Bauchgefühl.
2. Benachrichtigungen auf dem Smartphone komplett deaktivieren. Feste Zeiten festlegen an denen Du E-Mails mit den Benachrichtungen liest 2-3x pro Tag. In heißen Phasen öfter in Slack und ins Kanban gehen um den Überblick zu behalten.
3. Dazu gibt es viele Theorien. Am Besten Dinge erledigen, die Du offline machen kannst. In den Bahnhöfen gibt es meistens Netz für den schnellen Blick ins Slack. Vesper selbst mitbringen.
4. Jeglische Schorle, Saft, Wasser,… egal. Was hältst Du davon wenn Ihr die Barcamp Rhein-Neckar-Orga auf Kaltgetränke und Obstsalat einladet um aus ihren Erfahrungen zu schöpfen.

Hallo, vielen Dank für die zahlreichen Anregungen. Das mit dem bewusst länger offline sein, klappt nnur im Sommerurlaub. Ich glaube nicht, dass ich das im Alltag durchhalte, da ich echt ein Nachrichtenjunkie bin. Aber die Idee mit dem digitalen Notizbuch ist wirklich klasse. Denn ich verlege ja immer meine Notizbücher bzw. vergesse die beim Handtaschenwechsel. Und klar, können wir uns im neuen Jahr mal intensiv dazu austauschen. Ich melde mich und wünsche eine tolle Vorweihnachtszeit 🙂 Viele Grüße, Melanie

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