NATURSCHUTZ IST NICHT RETRO

 

Biene, Natur, Blume, BNE, unsplash.com, Harrison Broadbent
Moderner Naturschutz ohne Klischees: Sabrina wehrt sich gegen den platten Öko-Stempel und zeigt lieber auf, wie wir alle vor der Haustür etwas gegen das Bienensterben tun können.

Wenn ich nach meinem Beruf gefragt werde, reagieren viele mit Skepsis oder Desinteresse. Sich als Bildungswissenschaftlerin und examinierte Lehrerin für den Schutz sowie den Erhalt der Umwelt einzusetzen, ist nicht allzu gewöhnlich. „Das ist ziemlich retro. Du bist doch gar nicht so öko“, höre ich dann oft, wenn ich erzähle, dass ich mit Kindern oder auch Erwachsenen draußen in der Natur unterwegs bin und versuche, ihnen die Komplexität von Ökosystemen und die in ihnen lebenden Organismen nahezubringen.

Ist das schon öko?

In meinen Augen hat die Förderung eines Bewusstseins über Wirkprozesse und Abhängigkeiten in der Natur sowie die Ausmaße unseres Einwirkens nicht unbedingt etwas mit dem Stempel „öko“ zu tun. Ich möchte vielmehr Impulse setzen, über den eigenen Lebens- und den global betriebenen Wirtschaftsstil nachzudenken. Dabei ist es mir wichtig, zu Erkenntnissen, Wertschätzung und Reflexion anzuleiten und zu überlegen, wie das eigene Leben so gestaltet werden kann, dass ein gutes und zufriedenes Leben möglich ist und trotzdem die Umwelt und die zwangsläufigen Änderungen in ihr im Blick behalten werden. Manche Änderungen lassen sich verhindern oder es kann ihnen entgegengesteuert werden. Andere erscheinen unaufhaltsam und müssen in ihrem Wirkungsausmaß eingeschätzt und unser Leben daran angepasst werden.

Wenn von Ökosystemen und den in ihnen lebenden Organismen die Rede ist, fällt in einem Atemzug der Begriff der biologischen Vielfalt, auch Biodiversität genannt. Unter Biodiversität ist die Vielfalt der Arten in einem Ökosystem aber auch die Vielfältigkeit der Ökosysteme an sich zu verstehen. Ändern sich die Ökosysteme, verändern sich auch die in ihnen lebenden Arten. Je nach Anpassungsfähigkeit gelingt es den Arten ihre ökologische Nische (Nahrung, Lebensraum, Fortpflanzung usw.) beizubehalten oder im Laufe der Zeit eine neue Nische auszubilden. Anderen Arten gelingt dies nicht, was zwangsläufig deren Aussterben in jenem Ökosystem zu Folge hat. Auch die Veränderung von Arten hat bidirektional gesehen Auswirkungen auf die Ökosysteme. Fehlt eine Kette im Glied, verändert sich das gesamte Ökosystem.

Die Folgen des Bienensterbens

Am 10. Oktober 2018 fand in Berlin das nationale Forum zur biologischen Vielfalt statt. Das Forum stand unter dem Fokus „Aktionsprogramm Insektenschutz“.

Ist der Schutz von Insekten denn unbedingt nötig? Wer von uns hat noch nicht eine Fliege erschlagen, einen Käfer zertreten oder eine Biene verscheucht? Die Wertschätzung diesen Tieren gegenüber hält sich meist in Grenzen. Sie werden als störend, unästhetisch oder gefährlich empfunden. Auch ich habe ziemlich lange gebraucht, um die Nützlichkeit dieser Tiere und die Unabdingbarkeit für die Beständigkeit einiger Ökosysteme, aber auch die Wirtschaftlichkeit, gerade am Beispiel der Bienen, zu verstehen.

Laut Greenpeace ist die Insektenmasse innerhalb von 27 Jahren um 75 Prozent zurückgegangen. Im Hinblick auf die Biodiversität ist das fatal, denn beispielsweise zwei Drittel unserer Pflanzen sind auf die Bestäubung von Insekten angewiesen. Ohne Bestäubung können sich diese Pflanzen nicht vermehren. Somit geht nicht nur der Insektenbestand, sondern auch die Vielfalt an Pflanzen nach und nach verloren. In China werden schon Menschen dafür bezahlt Pflanzen händisch zu bestäuben. Doch wieso sollen wir extra Menschen dafür bezahlen, wenn der Erhalt von Insekten, die diese Arbeit kostenlos verrichten, kostengünstiger und effizienter ist?

Euer Beitrag

Was können wir als Bürgerinnen und Bürger konkret zum Erhalt der Biodiversität genau in diesem speziellen Bereich beitragen? Eine Möglichkeit wäre es, beim Anlegen des heimischen Gartens nicht unbedingt die buddhistische Zen-Variante vorzuziehen, sondern ein Bereich einer Wildblumenwiese im Garten anzulegen. Das fördert durch heimische Pflanzen die Biodiversität und lockt Insekten zum Bestäuben an.

Eine Wildblumenwiese ist im Vergleich zu anderen Gartenpflanzen sehr pflegeleicht. Sie muss auf nährstoffarmen (wenig gedüngten) Boden gesät und zweimal im Jahr abgemäht werden. Klingt nach wenig Aufwand für einen schönen optischen und auch akustischen Eindruck beim Entspannen auf der häuslichen Terrasse. Nur manche Nachbarn gilt es zu überzeugen, dass der nicht akkurat gepflegt erscheinende Teil des Gartens nicht aus Unkraut besteht, sondern Natur in ihrer Reinform darstellt.

Frei nach dem Motto: „Gestalte dein Leben wild und bunt“, wäre es doch ein erster Schritt mit einer Wildblumenwiese diesem Kredo zu folgen. Alles Weitere ergibt sich dann schon irgendwie.

Ich beginne gerade mein Leben wild und bunt zu gestalten und damit etwas für den Fortbestand unserer Umwelt, so wie wir sie kennen, zu tun. Dies ist in meinen Augen nicht retro, sondern vielmehr klug und vor allen Dingen vorausschauend.

Sabrina Frieß, Team, Transfer Together
Sabrina Frieß

Tausche Lehrbuch gegen Lorbeeren: Mit ihrem Teilprojekt Outdoor Education klärt sie über die biologische Vielfalt vor der eigenen Haustür auf. Zu Sabrinas Projektseite.

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Comments (3)

[…] Nur wer ein Bewusstsein darüber entwickelt, etwas kontinuierlich zu verfolgen, kann dauerhaft etwas bewirken. Aber der Stein muss erst einmal ins Rollen kommen und so sind kleine, einmalige oder kurzzeitige Handlungen wichtige Schritte auf dem Weg die Welt zu retten. Der Kauf von Fairtrade-Tee zum gemütlichen Zusammensein am Weihnachtsbaum oder selbstgestrickte Baumwollmützen und Schals als Geschenke zu Weihnachten, könnten solche erste Schritte sein. […]

Danke Laura für deinen Kommentar. Apropos Schule: Auch die Zeiten in der Schule ändern sich. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist nun fest im Bildungsplan verankert und soll auch in den Hochschule zu einer verpflichtenden Veranstaltung für Studierenden aller Fachbereiche werden. In der Bildung werden schließlich Grundsteine für spätere Werte, Handlungen und Lebensweisen gelegt. Wer also seinen Schülerinnen und Schülern, Studierenden oder sonstigen Interessierten nicht nur den Bienentanz näherbringen will, der kann z.B. im Raum Heidelberg bei Projekten und Bildungsmodulen im Bereich BNE aus dem Vollen schöpfen. Auf der Seite der Stadt Heidelberg können sich alle Neugierige umfassend informieren. Dort gibt es Angebote des Welthauses, des globalen Klassenzimmers oder Informationen vom Verein Rettenswert, der Lebensmittel vor der Entsorgung durch die Discounter rettet, und vieles mehr. https://www.heidelberg.de/hd,Lde/HD/Leben/nachhaltigkeit.html

Also, worauf wartet ihr? Informieren, mitmachen, teilen!!!

Ich finde – die Zeiten haben sich geändert! Wenn ich an meine eigene Schulzeit zurück denke fällt mir der Biologieunterricht zum Thema Bienen ein. Da wurde natürlich bestimmt auch gesagt, wie wichtig Bienen im Ökosystem (und natürlich auch für den Menschen) sind. Aber woran ich mich eigentlich nur erinnern kann ist, dass wir den Bienentanz lernen mussten. Einerseits kann das natürlich auch interessant sein, weil man hier mal ein Beispiel für Kommunikation im Tierreich kennenlernt. Andererseits wurde das Thema Bienen überhaupt nicht problematisiert, was ich sehr schade finde. Ich kann nun weder den Bienentanz nachtanzen (was ja eigentlich auch wirklich keine Relevanz hat) und weiß nur noch – Tiere kommunizieren. Die Schule hat mir zu meiner Zeit (und das ist noch gar nicht so lange her) das Thema Bienen sehr unattraktiv gemacht. Hätte ich danach nicht Biologie studiert, wäre das vielleicht auch noch der Eindruck, den ich behalten hätte.
Glücklicherweise haben sich die Zeiten nach meiner subjektiven Empfindung geändert – Naturschutz ist tatsächlich nicht retro sondern total hipp! Wenn ich von der Arbeit nach Hause fahre entdecke ich sage und schreibe 4(!!!) Insektenhotels – und das bei einer Fahrrad-Fahrtzeit von knappen 10 Minuten. Selbst in den großen Discountern kann man Insektenhotels mittlerweile erschwinglich kaufen. Ich lerne mittlerweile auch immer mehr (Hobby-) Imkerinnen und Imker kennen. Das mag natürlich auch an meinem naturschutzaffinen Umfeld liegen, aber die Discounterangebote sprechen trotzdem für ein breites Interesse.
Leider besitze ich kein Fleckchen, was ich “Garten” nennen könnte. Auf meinem winzigen Balkon achte ich darauf, Kräuter erblühen zu lassen, auch wenn mein Freund diese gerne abzupft: “Die sind zum Essen da und nicht zum Blühen!” Trotzdem kann man sich auch ohne eigenen Garten bei der Pflege von natürlichen Blumenwiesen oder Streuobstwiesen einbringen. Der NaBu Heidelberg hat sogar eine Arbeitsgruppe, die sich der Biotoppflege verschrieben hat: https://www.nabu-heidelberg.de/biotope/
Hier kann man nicht nur ordentlich anpacken und werkeln, man lernt etwas über die lokale Flora und Fauna, genießt die frische Luft in der Natur uuuuund lernt sogar neue nette Leute kennen.

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