BILDUNG, HACKEN, MARATHON

 

Diskussion im Freien beim Hackathon
Vor dem Event wusste Werkstudent Richard nicht so recht, was ein Bildungshackathon eigentlich sein soll. Jetzt weiß er: Das Format ist vielfältig, motivierend und kann eine Menge bewegen. Auf dem Blog berichtet Richard über seine Erlebnisse beim diesjährigen educon Bildungshackathon.

Eine Halle voller Gestalten mit schwarzen Kapuzenjacken, die versuchen so viel digitale Infrastruktur wie nur möglich lahmzulegen. Zwischen Reihen aus PCs stapeln sich Energydrinks und Pizzaschachteln. Dies waren meine ersten Gedanken als ich das Wort Hackathon hörte. Es brachte mich zum Schmunzeln. Doch, da stand noch das Wort Bildung dabei: Bildungshackathon. Bildung und Hacken? Da fing mein klischeehaftes Bild an zu bröckeln. Wie viele aus meinem Jahrgang habe ich in der Schule die Erfahrung gemacht, dass zwar in jedem Raum technischen Geräte standen, sie jedoch in den wenigsten Fällen einwandfrei funktionierten. Letztlich war die Tafel oder der Overheadprojektor das beliebteste Unterrichtsmittel. Würde da nicht jede:r Hacker:in die Hände über dem Kopf zusammenschlagen? Für mich waren die beiden Worte somit unmöglich miteinander zu verbinden. Mein Interesse war geweckt.

Als ich diesen Sommer meine Werksstudierendenstelle bei der Metropolregion Rhein-Neckar im Bereich Bildung begann, stand schließlich fest, dass ich beim nächsten Bildungshackathon von Transfer Together und educon dabei sein werde. Je näher die Veranstaltung rückte und je mehr ich mich hierzu informierte, desto besser fand ich den Gedanken hinter dieser Veranstaltung: Herausforderungen (sog. Challenges) aus dem Bildungsbereich in interdisziplinären Teams bearbeiten.

Als Student bin und war ich in meinem Leben dauerhaft den Strukturen des Bildungssystems ausgesetzt und musste seine Lücken bereits kennenlernen. Deswegen freut es mich, dass diese Veranstaltung einen Runden Tisch für alle bietet, die ein Interesse daran haben Bildung zu verbessern. Denn Bildung, das heißt Lernen egal wo, egal wer, egal wie alt. Der Hackathon vermittelt einem genau dieses Bild und man spürt regelrecht, wie vielfältig die Erfahrungen sind die Menschen in diesem Bereich machen.

Der Start

Doch nun mehr zur Veranstaltung selbst. Am ersten Tag gab es zunächst einige Inputs von Menschen, die sich aktiv und erfolgreich für Bildung im Alltag einsetzen. Dabei ging es insbesondere darum, die Motivation zum Lernen zu finden, ohne direkt an Stress oder Belastung zu denken. Erstaunlicherweise wurden hier Unterhaltungsplattformen wie Instagram und TikTok genannt und erklärt, dass viele Menschen dort nicht unbedingt nach lächerlichen Witzvideos suchen, sondern selbst ihre Potenziale, durch wertschätzenden Content erkennen und Förderungswillen zeigen. Nach dieser Einleitung wusste ich, dass wir zusammengekommen sind, um Bildung attraktiver, erfahrbarer und menschlicher zu machen.

Als nächstes wurden zehn Challenges vorgestellt, für die es galt in den nächsten Stunden realisierbare Lösungen zu finden. Die Challenges waren nicht aus der Luft gegriffen, sondern wurden von ihren Initiator:innen vorgestellt und begründet. Sie reichten von strukturellen Problemen in Schulen, über Hürden auf dem Arbeitsmarkt bis hin zu unternehmerischen Herausforderungen im Bereich Bildung. Dabei konnte sich jede:r in eines der Probleme reindenken und sich persönlich wiederfinden. Der Rest des ersten Tages bestand daraus, mit seinen Teamkolleg:innen aus den ausgewählten Challenges, eine gemeinsame Basis des Problems zu finden. Dies klingt zwar banal, jedoch war das aus meiner Sicht einer der interessantesten Momente des Hackathons. Da man durch die unterschiedlichen Fachbereiche, aus denen die Teammitglieder stammten, eine sehr differenzierte Sicht auf das Problem bekam.

Eindrücke vom educon Bildungshackathon 2022 in der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Bildrechte @MRN GmbH

Mir wurde bewusst, dass es ausgerechnet dann, wenn alle nur ihr Bestes wollen, am schwierigsten ist eine einfache Lösung zu finden. Und es wurde einem mal wieder klar, dass jede:r unterschiedliche Ansätze hat, die aufgrund der persönlichen Erfahrungen gerechtfertigt sind. Bei einem großartigen Buffet ließen wir den Tag mit interessanten Gesprächen ausklingen.

Auf der Zielgeraden

Nachdem wir am ersten Tag unsere jeweiligen Standpunkte zum Thema herausgearbeitet hatten, ging es nun darum Lösung zu finden. Die nächsten sieben Stunden rauchten unsere Köpfe. Das Mittagessen wurde während der Arbeit verzehrt, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren. Ich muss zugeben diese Phase hat einen sehr marathonartigen Charakter gehabt. Nun verstand ich langsam den Namen der Veranstaltung. Neben dem zielstrebigen Arbeiten wurde mir der Begriff des Hackens im Namen ebenfalls verständlich. Denn die Probleme im Bildungsbereich sind meist nicht von den Inhalten geprägt, sondern struktureller Natur. Und wie wir alle während der Pandemie festgestellt haben, ist das Digitale zu einem Medium geworden, das uns eine Vielfalt neuer Möglichkeiten zur zwischenmenschlichen Interaktion bringt. Und genau das meint Bildung, zwischenmenschliche Interaktion. Es ist mittlerweile also nahezu naiv zu glauben, dass Bildung aus Griffel, Tafel, und Frontalunterricht besteht. Zwar mag diese Beschreibung nicht verkehrt sein, doch wer nicht im gleichen Satz noch digital erwähnt, der sollte seinen Standpunkt bezüglich Bildung weiterdenken.

Gegen Ende der Veranstaltung bekamen wir nochmal das Gefühl, uns richtig reinhängen zu müssen – so wie vor 2.500 Jahren der erste Marathonläufer, der in Athen den Sieg über die Spartaner verkündete. Wir waren intrinsisch motiviert, keine Zeit zu vergeuden. Aber auch von Außen winkten Anreize: Denn nach einer Jury-Bewertung und einer Online-Abstimmung gab es für zwei der Projekte die Aussicht auf eine Anschubfinanzierung, um die Ideen in die Tat umzusetzen. Dafür musste man ein Pitch-Video drehen und präsentieren, was man in den letzten 24 Stunden hervorgebracht hat. Für ein bunt zusammengewürfeltes Team, das lediglich durch das gleiche Interesse an einem Problem zusammengefunden hat, war dies eine ziemliche Herausforderung.

Im Aftermovie des educon Bildungshackathons könnt ihr die schönsten Momente und Eindrücke der Veranstaltung noch einmal anschauen.

Ein Ergebnis des educon Bildungshackathons war die Gründung von SINN-Net, das Sustainable Innovation Network. Das Netzwerk feiert am 27. September 2022 in der PreZero Arena in Sinsheim seinen Kick-Off, zu dem ihr alle herzlich eingeladen seid. Mehr Informationen findet ihr auf www.sinn-net.org.

Das nächste Event aus der educon-Reihe findet auch am 27. September 2022 statt: das educon Bildungscafé. Dieses Mal mit einem Impuls von Anne Sliwka zum Thema “Deeper Learning als Methode der kollaborative Schulentwicklung”. Anmeldung unter www.educon.live.

Zum Schluss lässt sich jedoch sagen, dass alle Teams diese Herausforderung gemeistert haben. Ich verstehe jetzt auch die Euphorie, mit der mir das erste Mal über diese Veranstaltung berichtet wurde und die Schwierigkeit die Veranstaltung in Worte zu fassen. Die vielen Sichtweisen und Eindrücke bezüglich Bildung, die man während der Veranstaltung erhält, sind nun mal nicht so einfach zu erklären. Letztlich trifft der verwundernde Titel Bildungshackathon voll ins Schwarze. Wer nach diesem Artikel immer noch das Gefühl hat, nicht verstanden zu haben, was ein Bildungshackathon ist, oder selbst Lust bekommen hat einen mitzuerleben, dem kann ich es wärmstens empfehlen.

Denn auch wenn mein Team am Ende leider nicht die Anschubfinanzierung für unsere Projektidee bekommen hat, hat man dennoch viel mitnehmen und einige Verbündete in seinem Anliegen gewinnen können, Bildung zu verbessern. Aus diesem Grund freue ich mich bereits auf den nächsten Hackathon und hoffe auf eine ähnlich dynamische Atmosphäre.

Richard Braun, Team, Transfer Together
Richard Braun

Werkstudent Richard unterstützt Nina und Melanie bei der Metropolregion Rhein-Neckar.

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Comments (2)

Interessanter Artikel – und dann auch noch locker und Interesse weckend geschrieben.
Das Lesen hat Spaß gemacht und jetzt weiß auch ich ein bisschen besser, was sich hinter dem Begriff „Bildungshackathon“ verbirgt, den ich hier in Artikel zum ersten Mal gehört (bzw. gelesen) habe.

Vielen Dank für die Rückmeldung 🙂

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