ALLES ERGONOMISCH IM (HOME)OFFICE?

 

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Regelmäßig ertappt Susanne sich selbst und andere mit schiefem Rücken überm Schreibtisch. Dass das schlecht für die Gesundheit ist, weiß man ja eigentlich, aber verdrängt es gerne. Eine Lösung sind ergonomische Büromöbel, aber worauf kommt es bei der Anschaffung an und wie gelingt ergonomisches Arbeiten im Homeoffice?

Ergonomische Möbel sind prinzipiell eine gute Sache. Aber sie sind teuer und die Angebote sind ebenso zahlreich wie die Funktionen. Um die Kaufentscheidung zu erleichtern, sind hier ein paar Grundregeln – für jede Gelegenheit und jeden Geldbeutel.

Arbeitstisch

Safety first: Wichtig ist ein sicherer Stand des Arbeitstisches und dass diverse Kabel so verlegt sind, dass sie keine Stolperfallen darstellen. Es wäre außerdem gut, wenn sich keine Gegenstände unter dem Tisch befinden, damit Beinfreiheit gewährleistet ist. Die Oberfläche des Tisches sollte reflexionsfrei und nicht zu kontrastreich sein, um die Augen zu schonen. Zudem sollte sie aus Kunststoff oder Holz gefertigt sein, damit man seine Unterarme gerne darauf ablegt.

Arbeit braucht Platz: Ein wesentlicher Aspekt ist eine ausreichend große Tischplatte. Bei ausschließlicher Computerarbeit (Laptop und Monitor) reicht eine Breite von 120 cm, bzw. etwas weniger, wenn man nur einen Laptop nutzt. Wer sowohl Schreib- als auch Computerarbeit verrichtet, benötigt eine mindestens 160 cm breite Arbeitsfläche. Hier empfiehlt es sich, die beiden Bereiche klar voneinander abzutrennen. Die Wahl der Tiefe des Tisches hängt davon ab, ob man mit Monitor(en) arbeitet.

Grundsätzlich gilt: Die Tischtiefe sollte einen Mindestabstand von 50 cm zwischen Augen und Bildschirm erlauben, bei sehr großen Flachbildschirmen 80 cm oder 100 cm bei mehreren Monitoren. Der Arbeitstisch hat die richtige Höhe, wenn die Unterarme bequem auf dem Tisch aufliegen, ohne dass die Schultern nach oben gezogen werden müssen. Aufgrund unterschiedlicher Proportionen ist eine entspannte Haltung nicht automatisch gewährleistet. Hier kann ein höhenverstellbarer Tisch helfen. Dies empfiehlt sich besonders, wenn ein Arbeitsplatz von verschiedenen Personen genutzt wird. Voraussetzung hierfür ist eine einfache und sichere Bedienbarkeit.

Wenn das Budget keinen höhenverstellbaren Tisch zulässt, gibt es für große Personen die Möglichkeit, mit Unterlage-Elementen den Tisch zu erhöhen, um bei gerader Haltung einen rechten Winkel zwischen Ober-und Unterarmen zu erreichen. Oberste Voraussetzung hierfür ist die Sicherung und Stabilität dieser Elemente sowie die Nutzung des Arbeitsplatzes von einer einzigen Person. Für kleine Personen gibt es alternativ zum höhenverstellbaren Tisch die Möglichkeit, einen höhenverstellbaren Stuhl und eine Fußstütze zu verwenden, um die angestrebte Haltung einnehmen zu können.

Bewegungsfördernde Ausstattung fördert regelmäßige Haltungswechsel. Sie reduziert gesundheitliche Risiken, welche durch lang andauerndes, ununterbrochenes Sitzen entstehen.

Die optimale Lösung ist ein Sitz-Stehtisch, da er zudem auch regelmäßige Haltungswechsel begünstigt, welche essentiell für die Durchblutung des Körpers sind. Hier empfehlen sich Verstell-Mechanismen durch Elektromotor oder Gasfeder sowie eine Verstellbarkeit zwischen 62 und 120 cm.

Wenn hierfür nicht genügend Budget zur Verfügung steht, kann ergänzend zum Sitz-Arbeitstisch ein Stehpult angeschafft werden. Dessen Tischplatte sollte mindestens 30 x 42 cm groß sein und in der Höhe sollte es zwischen 95 und 135 cm verstellbar sein. Auch hier gilt, dass die Höhe so eingestellt werden sollte, dass die Unterarme flach auf der Tischplatte liegen, ohne dass die Schultern angespannt werden müssen. Falls das Pult vor allem genutzt wird, um Papierdokumente zu lesen oder mit der Hand zu schreiben, ist zudem eine Neigefunktion der Platte hilfreich. Generell ist hier zu beachten, dass sich das Stehpult in der Nähe des Hauptarbeitstisches befinden sollte, damit es regelmäßig genutzt wird. Es sollte aber nur für einen kleinen Teil der Arbeitszeit eingesetzt werden, um die Haltemuskulatur nicht überzustrapazieren. Bestenfalls hat das Stehpult unten eine erhöhte Fläche, welche als Fußstütze genutzt werden kann und dadurch dynamisches Stehen begünstigt: Das regelmäßige Wechseln zwischen Stand-und Spielbein sorgt für Entlastung der Wirbelsäule und der Gelenke.

Wenn eine platzsparende Alternative benötigt wird, kann ein Stehaufsatz eine gute Lösung sein. Er wird einfach auf dem Arbeitstisch platziert und kann zusammengefaltet werden, wenn er nicht gebraucht wird. Hier sind ebenfalls eine einfache Bedienbarkeit sowie Stabilität und Sicherheit und die bereits erwähnten ergonomischen Anforderungen essentiell.

Egal ob am Sitz-Stehtisch, Stehpult oder mit dem Stehaufsatz: Wer phasenweise im Stehen arbeitet, sollte darauf achten, dynamisch zu stehen. Dies kann durch weiche Stehmatten oder Stehboards unterstützt werden. Wer sich einmal daran gewöhnt hat, möchte das Stehzubehör meist nicht mehr missen.

Wer sich kurzfristig im „Homeoffice“ (alternierende Telearbeit) befindet und keine Möglichkeit hat, diverse ergonomische Utensilien anzuschaffen, kann improvisieren und bei der Arbeit mit dem Laptop z.B. ein Bügelbrett als Stehtisch verwenden, eine (Getränke-) Kiste oder einen anderen stabilen Gegenstand auf den Arbeitstisch stellen, um zwischendurch im Stehen arbeiten zu können. Hierbei haben Sicherheit und Stabilität höchste Priorität sowie die Gewährleistung des 90°-Winkels zwischen Oberarmen und Unterarmen, um eine Anspannung der Schulterpartie zu vermeiden.

Anforderungen an Arbeitstisch – kurzgefasst:
  • Standsicher und erschütterungsfrei
  • Kabel sicher verlegt
  • Gewährleistung von Beinfreiheit
  • Oberfläche reflexionsfrei und kontrastarm
  • Material der Tischplatte aus Kunststoff oder Holz
  • Maße der Tischplatte je nach Anforderungen mindestens 120 x 80 cm
  • Ausreichend Abstand zwischen Augen und Bildschirm (mindestens 50 cm)
  • Höhenverstellbarkeit für individuelle Anpassung
  • Prüfsiegel (s.u.)
  • Begünstigung dynamischer Haltungswechsel durch Arbeitstisch-Aufsatz (€ – €€) /zusätzliches Stehpult (€ – €€) /Sitz-Stehschreibtisch (€ – €€€) / selbstgebautem Stehpult in der Homeoffice-Variante
Arbeitsstuhl

Ein Arbeitsstuhl muss Körper und Wirbelsäule abstützen, vor Fehlhaltungen schützen und wechselnde Sitzhaltungen fördern. Hierfür sollten Unter-und Oberschenkel einen 90°-Winkel bilden. Um dies zu gewährleisten, sollte der Stuhl in der Sitzhöhe, Sitztiefe und Sitzneigung verstellbar sein. Zudem ist ein (verstellbarer) Lendenbausch von Vorteil. Diese Aspekte sind vor allem unentbehrlich, wenn der Stuhl von mehreren Personen genutzt wird. Hier ist eine einfache und intuitive Bedienbarkeit Voraussetzung, z.B. durch gute Erreichbarkeit des Hebels, damit der Wechsel zwischen zwei Nutzern schnell und unkompliziert verläuft. Wichtig ist zudem, dass der Stuhl sicher ist und nicht ohne weiteres wegrollt, indem die Rollen lastabhängig bremsen. Für eine optimale Anpassung ist weiterhin eine ergonomisch geformte Sitzfläche ratsam. Wenn diese tiefengefedert ist, fängt dies Belastungsstöße beim Hinsetzen auf und verhindert Stauchungen.

Die anatomisch geformte Rückenlehne sollte mindestens bis zum Schultergürtel reichen, um Arme, Nacken und Schultergürtel zu entlasten. Um die Durchblutung zu fördern, ist ein Stuhl mit Synchronmechanik empfehlenswert, dessen Rückenlehne sich nach hinten neigt, sobald man sich dagegen lehnt. Der Gegendruck der Lehne auf den Körper sollte individuell einstellbar sein. Ebenfalls zur Begünstigung der Durchblutung sollte die Sitzfläche vorne abgerundet sein und die Vorderkante sich auch bei hinterer Sitzhaltung nicht anheben.

Die Polsterung sollte atmungsaktiv und nicht zu weich sein.

Mittlerweile gibt es auch Stühle, die sich durch eingebaute Wipp-und Pendelmechanik oder Motoren bewegen. Diese können Personen unterstützen, die im Arbeitsalltag zu wenige Haltungswechsel machen bzw. diese vergessen. Durch die passive Bewegung wird ihre Muskulatur angeregt und dadurch die Durchblutung des Körpers gefördert, jedoch ersetzt dies keine „echte“ Bewegung.

Merke: Auch vom besten Bürostuhl sollte man regelmäßig spätestens alle dreißig Minuten aufstehen!

Wenn das Budget nicht für einen verstellbaren Stuhl reicht und der beschriebene 90°-Winkel z.B. bei kleinen Personen nicht erreicht werden kann, kann eine Fußstütze helfen: Diese kann ansonsten auch im Stehen genutzt werden, um zwischen Stand-und Spielbein zu wechseln. Ansonsten sollte eine Fußstütze aber nicht verwendet werden, da sie unter Umständen die Haltung verändert. Wenn sie eingesetzt wird, muss sie stabil und rutschfest sein. Eine Stütze mit Wipp-und Schaukelmechanik kann weiterhin die die Muskel-Venen-Pumpe aktivieren und die Durchblutung fördern.

Die Stellfläche der Stütze sollte mindestens 45 cm breit und 35 cm tief sein. Die Höhe der Vorderkante sollte sich auf maximal 5 cm belaufen und die Verstellhöhe bis mindestens 11 cm über dem Fußboden reichen, während die Neigung mindestens zwischen 5° und 15° betragen sollte.

Alternative Sitzmöbel wie Hocker können als Abwechslung zum Bürostuhl genutzt werden, um die Rückenmuskulatur anzuregen. Sie sollten aber eine Ausnahme bleiben, da die Haltemuskulatur sonst überbeansprucht wird.

Sitzbälle sollten im Büro nicht verwendet werden. Wenn sie zu Hause genutzt werden, ist eine Fixierung durch den dazugehörigen Gummiring ratsam, um die Sicherheit zu gewährleisten. Am ehesten eignen sich diese jedoch zur Pausengymnastik.

Federnde Hocker sind eine sinnvolle Ergänzung zum Bürostuhl, da sich dadurch die Durchblutung der Muskulatur und der Bandscheiben verbessert. Hierbei kommt es auf Stand-und Kippsicherheit, Schutz vor unbeabsichtigtem Wegrollen und ergonomische Maße (s.o.) an. Zudem sollten ausreichende Einstellmöglichkeiten von Höhe und Bewegungswiderstand sowie eine entsprechende Sitzflächengröße und optional eine unterstützende anliegende Rückenlehne gewährleistet sein.

Anforderungen an Arbeitsstuhl – kurzgefasst:
  • Sicherer Stand
  • Knie sollten bei gerader Haltung einen 90°-Winkel bilden (falls nötig durch Fußstütze)
  • verstellbar in der Sitzhöhe, Sitztiefe und (optional) Sitzneigung
  • mit höhen- (und optional tiefen-) verstellbarem Lendenbausch/Lordosenstütze
  • einfache Bedienung
  • ergonomisch geformte Sitzfläche
  • Rückenlehne reicht mindestens bis Schultergürtel und ist anatomisch geformt
  • Synchronmechanik
  • Anlehndruck einstellbar
  • Kein Anheben der Vorderkante in zurückgeneigter Position
  • Verstellbare Armlehnen
  • Prüfsiegel (s.u.)
  • Alternative Sitzmöbel wie Hocker nur als Abwechslung
Vor dem Kauf zu beachten

Um sich für ein qualitativ hochwertiges Produkt zu entscheiden, können verschiedene Prüfsiegel wegweisend sein:

  • Die CE-Zertifizierung ist obligatorisch. Sie sagt aus, dass das Produkt die Anforderungen der Richtlinien der Europäischen Union erfüllt.
  • Das GS-Zeichen zeigt die Mindestanforderungen der elektrischen und mechanischen Sicherheit an.
  • Höchste Anforderungen beim Qualitätsnachweis garantiert das Qualitätszeichen „Quality office“.
  • Diverse DIN-Normen

Zudem sollten vor dem Kauf die für Arbeitsschutz zuständigen Personen bzw. der Betriebs- oder Personalrat herangezogen werden, da ergonomische Arbeitsmittel den Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung unterliegen und somit vorab eine Gefährdungsbeurteilung nötig ist.

Weiterhin ist es ratsam, die Mitarbeitenden beim Prozess der Kaufentscheidung zu beteiligen, z.B. indem die Möbel vorher getestet werden. Dies erhöht die Zufriedenheit und die Effizienz der späteren Nutzung.

Ergonomisches Mobiliar ist essentiell, um Verletzungsrisiken und insbesondere Augen- und Haltungsschäden vorzubeugen. Mindestens genauso wichtig ist es jedoch, genügend Sitzunterbrechungen und Bewegungspausen in den Arbeitsalltag einzubauen. Um diese nicht zu vergessen, gibt es hier ein paar App-Empfehlungen, die dabei unterstützen können.

Viel Spaß beim Ausprobieren!

 

Weiterführende Links / Informationen der VGB (Verwaltungs-Berufsgenossenschaft gesetzliche Unfallversicherung):
Team, Transfer Together, Susanne Mayer
Susanne Mayer

Susanne unterstützt das Teilprojekt ‘Leicht Bewegt’ als studentische Hilfskraft. Zum Teilprojekt.

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Comments (7)

Durch falsche Büromöbel und der daraus einhergehenden schlechten Körperhaltung, habe ich mir Schmerzen in der Schulter und einen Mausarm eingefangen. Erst durch Beherzigen der Tipps im Artikel und austauschen der Möbel und Maus habe ich das wieder in den Griff bekommen.

[…] “Alles ergonomisch im (Home)Office?” von Susanne Mayer […]

Hi,

ich war eigentlich auf der Suche nach Infos über Kniestühle, aber deine Tipps haben mir auch sehr geholfen. Hast du zufällig Erfahrung mit der Benutzung von kniestühlen und kannst mir sagen ob sich so ein Kauf lohnen würde?

LG

Eckard

Hallo Eckard,
aus meiner Sicht ist der Vorteil von Kniestühlen, dass die Wirbelsäule aufgerichtet ist und der Rumpf mehr arbeitet als bei „gewöhnlichen“ Bürostühlen. Wichtiger ist allerdings, regelmäßig zwischen Sitzen, Stehen und Bewegen abzuwechseln. Welche Sitzgelegenheit dabei genutzt wird, ist individuelle Geschmackssache.
Viele Grüße,
Susanne

Hallo,
danke für die Tipps! Auch den Hinweis auf die Siegel zu achten, findet man nicht überall! Welche Qualitätsmerkmale beinhaltet denn das “Quality office”?
Viele Grüße!

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung!
Das Qualitätszeichen „Quality office“ umfasst neben diversen Sicherheitsstandards Qualitätsmerkmale wie Ergonomie, Funktionalität, Flexibilität, Langlebigkeit und Nachhaltigkeit.
Weitere Informationen finden Sie hier: https://quality-office.org/de/
Beste Grüße,
Susanne