TAGEBUCH EINER WERKSTUDENTIN

 

Office, Laptop, unsplash.com, magnet.me
Seit mehr als einem Jahr sind die Universitäten geschlossen und die Lehrveranstaltungen finden nur online statt. Personen, die keinen systemkritischen Beruf ausüben, befinden sich im Home Office. Als Werkstudentin beschreibt Natalie in diesem Blogbeitrag, wie der Alltag in einem “doppelten Home Office” aussehen kann.

Als ich die Zusage für die Stelle als Werkstudentin des Projektes TRANSFER TOGETHER bei der Metropolregion Rhein-Neckar erhielt, war ich voller Vorfreude. Endlich wieder unter Leute kommen, nicht mehr allein vor dem Laptop sitzen und stundelang den Bildschirm anstarren. Ich freute mich auf gemeinsame Kaffeepause, für mich dann eher mit Tee, auf den Austausch von Erfahrungen, auf spannende Arbeitsaufgaben und auf den “ganz normalen” Büroalltag. Falsch gedacht. Nach wenigen Wochen waren statt zwei Personen plötzlich nur noch eine pro Büro erlaubt, am besten bleibt man gleich ganz im Home Office – dahin waren die sozialen Kontakte, der Austausch, der gemeinsame Tee. Auf einmal saß ich nicht nur bei Seminaren oder Vorlesungen aus der Uni zuhause, sondern wurde regelrecht auch noch von meiner Arbeitsstelle aus ins Home Office „verfrachtet“. Ich habe für euch aufgeschrieben, wie für mich so ein “doppeltes Home Office” aussieht.

Diskussion ja, aber zeitverzögert

Montagmorgen, 7:15 Uhr: Der Handywecker klingelt und wird nicht auf Snooze gestellt – dafür war ich noch nie der Typ. Während ich mich aus dem Bett quäle, fällt mir auf, dass immerhin schon etwas Licht ins Zimmer scheint, schließlich ist bereits März. Beim Zähneputzen kommt mir der Gedanke, dass heute das neue Semester beginnt. Endlich, denke ich. Nur noch ein paar Monate durchhalten, dann hast du den Abschluss in der Tasche.

Kurz vor 8 Uhr treffe ich meine Mitbewohnerin verschlafen auf dem Flur, wir tauschen ein kurzes “Morgen” aus und jede sieht der anderen die Vorfreude an – nicht! Das gemeinsame Frühstück ziehen wir extra lang, da wir uns beide davor drücken wollen, den gesamten Tag vor dem Laptop zu verbringen. Schließlich gibt es kein Entkommen mehr, jeder macht sich auf den Weg zurück ins Zimmer und wünscht der anderen noch “Viel Durchhaltevermögen”.

8:30 Uhr: Das erste Seminar beginnt, welch ein Wunder, auch dieses Semester vor dem PC. Der Professor begrüßt alle herzlich, trotzdem ist allen anzusehen, dass sich Präsenzveranstaltungen sehnlichst zurückgewünscht werden. Nach 30 Minuten erscheint auf meinem Bildschirm die Meldung, dass meine Internetverbindung instabil ist. Toller Start, denke ich mir und höre für den Rest des Seminares immer mal wieder zeitverzögert die einzelnen Diskussionsbeiträge.

Kochen als (stehende) Bildschirmpause

10:00 Uhr, Arbeitsbeginn: Von meinen Kollegen:innen habe ich einige Aufgaben fürs Home Office erhalten und setze mich sofort daran. Die Nachbereitung des Seminars kann warten, das hier ist interessanter und sinnvoller, denke ich mir. Nach wenigen Minuten kommt bereits der erste Teams-Call, ein kurzer Austausch, allen geht es gut und dann ist die Konversation auch schon wieder vorbei. Während ich das Netz nach Bildungsträgern und Förderprogrammen durchforste, erscheint schon die nächste Mail mit dem nächsten Arbeitsauftrag. Das schaffe ich vor dem Mittagessen auch noch, also schnell ran und durcharbeiten. Ich korrigiere Power Point Präsentationen, bewerte Projektideen, werte Interviews aus … bis mir irgendwann der Magen grummelt und ich beschließe, eine Pause einzulegen.

14:30 Uhr: Beim Aufstehen vom Schreibtischstuhl merke ich, dass mein Rücken schmerzt und fühle mich gleich Jahrzehnte älter. Das Stehen beim Kochen ist unglaublich angenehm, meine Augen fühlen sich trocken an, da ich stundenlang auf einen Bildschirm gestarrt habe. Als ich nach einer knappen Stunde Pause zurück an meinen Laptop muss, liegt meine Motivation bei null.

15:30 Uhr: Die nächste Vorlesung steht an: Zuhören – Mitschreiben – Verstehen. Im Anschluss gleich noch ein Sprachkurs – selbst schuld, denn den habe ich mir sogar freiwillig ausgesucht. So verbringe ich die nächsten vier Stunden vor dem Bildschirm, sehe mir eine Power Point Präsentation nach der andern an, schreibe die wichtigsten Infos mit und klappe gegen 19 Uhr schließlich meinen Laptop zu.

22:30 Uhr: Als ich im Bett liege und den Tag reflektiere fällt mir auf, wie wenig ich heute gesprochen habe. Ein paar Worte mit Kommilitonen:innen, eine kurze Antwort im Seminar, ein Teams-Call mit den Kollegen:innen. Mir kommt der Fakt in den Sinn, dass Frauen täglich ca. 20 000 Wörter sprechen. Ein zynisches Lachen dringt über meine Lippen und ich denke mir, bis Ende der Woche habe ich die 20 000er Marke erreicht.

Über die kleinen Dinge freuen

Vier Wochen später: Nur wenig hat sich geändert. Die Zeit im “doppelten” Home Office zieht sich täglich, von Job zur Uni, von Uni zu Job. Alles am gleichen Schreibtisch, vor dem gleichen Laptop im gleichen Zimmer. Vormittags ein wenig Sonnenschein, nachmittags lachende Kinder im Hof und ein geschlossenes Fenster, da sonst die Konzentration gleich ganz weg ist. Ein Zoom-Meeting jagt den nächsten Teams-Call. Persönliche Kontakte lassen sich an einer Hand abzählen, per Skype kann man wenigstens mit Freund:innen aus der Ferne in Verbindung bleiben – allerdings wieder nur vor einem Bildschirm, aber immerhin entspannt auf dem Sofa.

Trotz der seit Wochen herrschenden Eintönigkeit, den zahlreichen Motivationsdefiziten sowie den “viereckigen Augen” durch das stundenlange Starren auf einen Bildschirm, gibt es auch viele positive Seiten. Man lernt die kleinen Dinge mehr zu schätzen, freut sich über kurze, wenn auch nur online stattfindende Gespräche, über die Möglichkeit, einem Job auch im Home Office nachgehen zu können und mit interessanten Personen in Kontakt zu kommen. Ich übe mich täglich in meinem Zeitmanagement, meiner Selbstorganisation und -motivation und lerne ganz nebenbei, wie informativ, aufregend und lustig Online-Events sein können.

Natalie Czaban, MRN, Transfer Together, Team
Natalie Czaban

Natalie ist seit September 2020 Werkstudentin bei der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH und unterstützt Melanie bei ihren Tätigkeiten im Projekt TRANSFER TOGETHER. Sie studiert an der Universität Mannheim und interessiert sich für Bildung, Kommunikation und Sprachen.

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