DAS EIGENE PROJEKT HINTERFRAGEN

 

Bildquelle: Nationales MINT Forum / Claudia Höhne
Außerschulische MINT-Bildung hat Hochkonjunktur: Förderwettbewerbe, bundesweite Ausschreibungen und Eigeninitiativen lassen Lernangebote sprießen. Da stellt sich jedoch die Frage, welche Maßnahmen eigentlich wirken. Die MINT-Qualitätsoffensive soll hier unterstützen. Wie das klappen soll, klärt Laura Arndt mit Teresa Moll und Aaron Hohenstein von der Geschäftsstelle der MINT-Qualitätsoffensive bei der Körber-Stiftung im Interview.
Was ist eigentlich die MINT-Qualitätsoffensive?

Teresa Moll: Die MINT-Qualitätsoffensive ist ein konkretes Angebot zur Unterstützung jeder Art von außerschulischen MINT-Initiativen. Grundlage ist eine Selbstanalyse, die es ermöglicht, sich selbstständig mit dem eigenen Angebot auseinanderzusetzen und das, was man im Projektalltag oft selbstverständlich tut, zu reflektieren.

Aaron Hohenstein: Genau, mit der Selbstanalyse gibt es ein konkretes Werkzeug, das MINT-Projekte im Alltag einsetzen können, um sich weiterzuentwickeln und zu verbessern. Außerdem bieten wir ein Begleitprogramm mit Workshops und Unterstützungsmaterialien in verschiedenen MINT-Regionen an. Das Besondere daran ist, dass dieses Begleitprogramm von den Netzwerkkoordinator:innen direkt vor Ort umgesetzt wird. So lernt sich das regionale Netzwerk untereinander besser kennen und in einem gemeinsamen Prozess können Qualitätsverbesserungen in außerschulischen MINT-Projekten angegangen werden.

Wer sollte mitmachen und warum?

Aaron Hohenstein: Unser Unterstützungsangebot ist für alle Arten von außerschulischen MINT-Initiativen konzipiert. In der Pilotphase hat sich gezeigt, dass es von Schüler:innenlaboren über Feriencamps bis hin zu Berufsorientierungsmessen im MINT-Bereich angewendet werden kann. Am wichtigsten ist allerdings, dass die Projektleiter:innen bereit sind, ihr eigenes Angebot zu hinterfragen, Verbesserungspotenziale zu identifizieren und langfristig Veränderungen umsetzen möchten.

Teresa Moll: Ja, das sehe ich auch als wichtigsten Punkt. Die Initiativen mit ihren Projekten müssen offen sein und sich auf einen Reflektionsprozess einlassen, der auch eine gewisse Selbstkritik beinhaltet. Nur wenn ich bereit bin festzustellen, wo Dinge vielleicht noch nicht perfekt laufen, kann ich mich wirklich weiterentwickeln. Das tolle an unserer Selbstanalyse ist, dass sie dabei systematisch hilft und sich mit von Phineo und der Stiftung Haus der kleinen Forscher entwickelten Fragen einzelnen Qualitätskriterien Schritt für Schritt nähert.

Schreckt diese Bewertung von außen Teilnehmende nicht ab?

Teresa Moll: Zuallererst ist es ja keine Bewertung von außen. Die Bewertung nehme ich als Projektleiter:in oder -mitarbeiter:in selbst vor, wie auch schon der Begriff der „Selbstanalyse“ deutlich macht. Es geht um eine subjektive Einschätzung und Einordnung des eigenen Tuns, orientiert an verschiedenen Qualitätskriterien wie „Kennen der Zielgruppe“, „Einbindung der Peergroup“ oder auch „Erhebung von Indikatoren zur Wirkungsmessung“.

Aaron Hohenstein: Im Idealfall setzt sich das Projektteam zusammen, um das Angebot zu analysieren. Das ist ein ganz anderer Ansatz als z.B. bei einer externen Evaluation, bei der wirklich eine externe Person von außen auf das Projekt schaut und am Ende ein „Urteil“ fällt. Damit ist unsere Selbstanalyse definitiv nicht gleichzusetzen. Schon allein, weil sie am Ende keine objektive Bewertung des Projekts ergeben kann, sondern Stellschrauben für Veränderungen aufzeigt. Um dann etwas zu verbessern, muss man auch weiterhin selbstständig aktiv werden.

Selbstanalyse, bringt’s das überhaupt?

Aaron Hohenstein: Wir sind überzeugt: Ja, das bringt‘s! Und auch die Pilotphase, in der das Angebot erprobt wurde, hat dies deutlich gemacht. Nur wer selbst erkennt, dass er oder sie an der ein oder anderen Stelle Dinge anders machen kann, wird das eigene Angebot auch nachhaltig verbessern können. Das kennen wir doch irgendwie alle: Wenn mir von außen gesagt wird „Mensch, das machst du aber noch nicht so gut“, dann bin ich vielleicht erstmal etwas vor den Kopf gestoßen. Mich aber selbst mit meinem eigenen Tun auseinanderzusetzen und dabei selbst zu erkennen, dass ich Dinge anders, besser machen kann, ist Grundvoraussetzung, dass ich auch wirklich aktiv werde. Kurz gesagt, die Selbstanalyse soll dabei helfen, sich mit Bereichen des eigenen Projekts auseinanderzusetzen, die man bisher vielleicht noch nicht so gut abdecken konnten, z.B. die klare Definition von Zielen oder die Wirksamkeit des eigenen Angebots. Denn uns ist klar: in der eigenen Thematik, nämlich die MINT-Themen zu vermitteln, ist die eigene Person Profi!

Warum vergebt ihr eigentlich keine Siegel oder Zertifikate?

Teresa Moll: Unsere Selbstanalyse kann schon allein vom Ansatz her keinen Vergleich zwischen verschiedenen Projekten schaffen. Wie gesagt, es wird keine objektive Einschätzung vorgenommen, die einen Schluss von außen zulassen würde. Darum geht es uns ja auch nicht. Und deshalb gibt es auch kein Siegel, auch weil niemand von außen überprüfen kann und möchte, was die Initiative für sich herausgefunden hat. Es geht darum, die intrinsische Motivation in Initiativen zu stärken, noch wirkungsorientierter zu denken und die Qualitätskriterien nicht nur in bestehenden Projekten, sondern auch bei der Konzeption neuer Projekte zu berücksichtigen und so noch mehr Wirkung bei Kindern und Jugendlichen zu erzielen.

Aaron Hohenstein: Hinzu kommt, dass die Erfahrung zeigt: In außerschulischen Angeboten sind oft Menschen tätig, die für die Thematik brennen und ihr Wissen z.B. an Kinder und Jugendliche weitergeben wollen. Dieses Phänomen ist über die MINT-Bildung hinaus bekannt und ist in jeder erdenklichen Form anzutreffen. Die einen geben ihr sportliches Wissen weiter und trainieren Kinder und Jugendliche in der Leichtathletik, andere sind von der Mathematik oder Informatik so fasziniert, dass sie ihr Wissen anderen Menschen zuteilwerden lassen wollen. Vielmehr als ein Zertifikat wird hier ein Angebot benötigt, das die Teilnehmenden dabei unterstützt, das eigene Angebot so zielführend zu gestalten, um eine größtmögliche Wirkung bei der Zielgruppe zu erreichen.

Welche Mehrwerte haben die Teilnehmenden?

Aaron Hohenstein: Unser Angebot bietet ein konkretes Werkzeug, Verbesserungspotenziale zu identifizieren, das in den Projektalltag integriert werden kann und praktikabel ist. Die Erfahrung zeigt, dass die erste Anwendung etwas mehr Zeit und Übung benötigt, danach geht es schon viel schneller.

Teresa Moll: Die Teilnehmer:innen aus der Pilotphase haben außerdem deutlich gemacht, dass sich eine Veränderung im Mindset hin zu mehr Wirkungsorientierung quasi „einschleicht“. Durch die Auseinandersetzung mit den einzelnen Qualitätskriterien behält man das, was man mit dem eigenen Projekt bewirken möchte, wirklich konsequent im Blick und denkt Themen wie Zielgruppenorientierung, Definition von Wirkungszielen oder die Formulierung von Indikatoren konsequent mit.

Aaron Hohenstein: Auch für die Kommunikation entsteht ein deutlicher Mehrwert: Wenn man sich selbst über die Ziele und Wirkungen des Projekts bewusst ist, gelingt es einem deutlich besser, darüber zu sprechen. Gerade in der Kommunikation gegenüber Fördernden ist das ein enorm wichtiger Punkt. Glaubhaft zu machen, dass man sich mit der Qualität des eigenen Angebots auseinandersetzt, ist wichtig, um überzeugen zu können. Und auch für das eigene Schaffen, ist es natürlich ein enormer Vorteil zu wissen, ob das Angebot bewirkt, wofür es konzipiert wurde. Wenn ich diesen Erfolg sehe, wird mein Selbstwirksamkeitsvertrauen gestärkt. Und wenn ich durch die Selbstanalyse merke, dass das Angebot noch Verbesserungspotenzial aufweist, kann ich es strukturiert anpassen, weiterentwickeln und mein Projekt noch besser machen.

Quelle: Nationales MINT Forum / Claudia Höhne

Vielen Dank liebe Teresa, lieber Aaron! Mich habt ihr vom Konzept überzeugt! Ich freue mich auf den Qualitätsprozess und bin gespannt, wie er die MINT-Region Metropolregion Rhein-Neckar voranbringen wird.

Die MINT-Qualitätsoffensive ist eine Initiative des Nationalen MINT Forums e.V. und seiner Mitgliedsorganisationen Deutsche Telekom Stiftung, Joachim Herz Stiftung, Körber-Stiftung, Siemens Stiftung, Stifterverband und Stiftung Haus der kleinen Forscher. Sie wird gefördert durch die aqtivator gGmbH.

Laura Arndt
Laura Arndt

Laura ist seit Januar 2018 im Team von TRANSFER TOGETHER und arbeitet für das Teilprojekt MINT-Bildung auch mal in einem Eisfach-Labor, wo zwar wärmeempfindliche Chemikalien geschont werden – die Laborantin aber nicht. Zu Lauras Projektseite.

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