SCHEITERN HEISST WACHSEN

 

Magic the Gathering, unsplash.com, Wayne Low
Wer siegt, steht auf dem Treppchen und bekommt Champagner. Die anderen dürfen zusehen und bekommen im Zweifelsfall Spott und Häme. Hannu ärgert sich über diese Mentalität, in der eine Niederlage nichts wert sein darf – und erklärt, warum er es Rückschlägen zu verdanken hat, dass er seinem Kindheitstraum sehr nahekam.

Wer kennt es nicht? Man steckt sich große Ziele, setzt alles daran, sie zu erreichen und scheitert schließlich mehr oder wenig glorreich – sei es auf der Arbeit, im Sport oder in der Liebe. Frust und schlechte Laune liegen in der Luft. Da hilft es kaum, dass unser Umfeld ein Scheitern missbilligt. Denn: Wer scheitert, muss schlecht oder ungeeignet gewesen sein. In einer nach Leistung strebenden Gesellschaft schwenkt der Blick schnell auf die verlorene – nein – auf die verschwendete Zeit.

„Haters gonna hate“

Die amerikanische Popsängerin Taylor Swift formulierte es treffend: „And the haters gonna hate, hate, hate, hate, hate.” Und sie gab uns auch direkt eine vermeintliche Lösung mit auf den Weg: „I shake it off.“ Die Aussagen der eigenen Kritiker abzuschütteln, ist eine gute Methode gegen die Frustration. Eine viel bessere Umgangsweise wäre es aber, sowohl externe als auch interne Kritik für die Reflexion des Scheiterns zu nutzen und gestärkt daraus hervorzugehen. Oder: „Lebenskunst ist, Problemen nicht auszuweichen, sondern daran zu wachsen“, wie der griechische Philosoph Anaximandros es ausdrückte.

Erfahrung ist der beste Lehrmeister. Oft werden wir jedoch von der Angst des Scheiterns und/oder seinen Auswirkungen auf unsere soziale, finanzielle oder emotionale Situation davon abgehalten, gewisse Erfahrungen zu machen. Aus Angst gehen wir unseren Träumen nicht nach, wodurch wir sie erst recht nicht erreichen werden. Wir begnügen uns damit, auszumalen, was wäre wenn man dieser oder jener Traumvorstellung nachgegangen wäre oder wie schön das Leben wäre, wenn …

Wenn wir unsere Wunschträume real machen wollen, müssen wir sie umsetzen! Hierfür brauchen wir Mentalitätswechsel, eine Kultur, in der das Scheitern als notwendig akzeptiert wird, um wachsen zu können.

Mein Weg zum professionellen Kartenspieler

Eine persönliche Anekdote: Als Jugendlicher träumte ich davon, professioneller Kartenspieler in einem Sammelkartenspiel (Magic the Gathering) zu werden. Ich informierte mich, übte mit Freunden und ging regelmäßig auf Turniere. Zunächst war ich im Vergleich zur Konkurrenz gnadenlos unterlegen. Bei einigen Bekannten war dies der Auslöser das Handtuch zu werfen und das Spiel nur noch gelegentlich zu spielen. In mir regte sich aber zum Trotze die kompetitive Seite und ich wollte unbedingt mehr: Ich begann, härter zu arbeiten, testete Strategien und Kombinationen, nahm an noch mehr Turnieren teil, hörte mir englische Podcasts an, las Unmengen an Artikeln, tauschte mich mit anderen Spielern aus und wurde dabei stetig besser.

Vom belächelten Jugendlichen wurde ich zu einem respektierten Gegner. Bald nahm ich an deutschlandweiten Turnieren teil, und reiste sogar durch Europa, um mit meinem Kartendeck anzutreten. Und meine Mühen zahlten sich aus: Ich wurde Landesmeister, nahm an deutschen Meisterschaften teil, war in der Rangliste unter den 100 besten deutschen Spielern, war bei Qualifikationsturnieren für die sogenannte ProTour viel zu oft im Finale (und gewann keines), wurde interviewt und sogar für Fachartikel bezahlt.

Die Moral meiner Geschichte ist traditionell, simpel und plakativ: Wäre ich damals nicht bei den ersten Turnieren gescheitert und hätte daraus den Ansporn gezogen, besser werden zu wollen, wäre ich niemals so weit gekommen. Ich kam meinem damaligen Traum sehr nahe. Ich habe dadurch verstanden, dass ich Scheitern als etwas Positives betrachten muss und mich dadurch nicht entmutigen lassen darf. Also lasst euch nicht entmutigen – sondern geht hinaus in die Welt und scheitert erstmal!

Und ich schließe mit einem Aufruf an die bereits erfolgreich Gescheiterten: Welche Niederlage hat euch am meisten vorangebracht?

Für die, die an dem Ende der Geschichte interessiert sind: Mit Wehrdienst und Studium verlor ich den Traum aus den Augen und wurde nie ein richtiger Profi. Aber vielleicht kommt das noch irgendwann?

Hannu Sparwald, Team, Transfer Together
Hannu Sparwald

Wenn Hannu gerade keinen Design-Thinking-Workshop auf die Beine stellt, berät er Studierende und Forschende an der Hochschule zu den Themen Gründung und Innovation. Zu Hannus Projektseite.

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Comments (3)

[…] meine Schwächen bei einer Veranstaltungsplanung und auch im zweiten Post ging es um das Thema Scheitern & Wachstum. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die letzten zwölf Monate und zeigt mir auf, dass wir […]

Lieber Hannu,

vielen Dank für den tollen Beitrag! Scheitern sollte auch in der Wissenschaft mehr gewürdigt werden… Ich hab das mal in einem Vortrag über 7 Todsünden eines Wissenschaftlers thematisiert: https://www.youtube.com/watch?v=pbWe8qGv5zk
So werden beispielsweise oft nur diejenigen Studien veröffentlicht, bei denen signifikante Ergebnisse herausgekommen sind. Experimentelle Studien, in denen kein Unterschied zwischen den Experimentalgruppen ermittelt werden konnte, werden als “gescheitert” interpretiert und nicht veröffentlicht – obwohl natürlich kein Unterschied auch ein tolles Ergebnis ist!
Und welcher Wissenschaftler diskutiert gerne seine gescheiterten Projektanträge? Gabi Reinmann hat das vor einigen Jahren mal schön auf den Punkt gebracht: eigentlich müsste man eine Datenbank mit gescheiterten Projektanträgen etablieren – denn gerade aus gescheiterten Anträgen kann man wunderbar lernen! https://gabi-reinmann.de/?p=406

Vielen Dank für den Kommentar und die Links/Ressourcen!
Ich habe mich mit diesem Thema in der Wissenschaft auch schon öfter auseinandergesetzt und meinen damaligen Studis im Schlüsselkompetenzen/Wissenschaftliches Arbeiten-Kurs auch vermitteln wollen, dass es bspw. nicht immer nur um die Gewinnung neuer Erkenntnisse geht, sondern auch die Validierung von Ergebnissen auf verschieden Wegen ein legitimes und tolles Ergebnis ist.
Die Frage ist nun, wie wir diesen Mindshift sowohl in der Wissenschaft, als auch der Gesellschaft hinbekommen können? Ich denke gute Vor- und Rollenbilder, die diese Mentalität leben und kommunzieren, wären ein gelungener Anfang.

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