VERTRAU MIR!

 

Frau, Buch, Wissenschaft, Vertrauen, unsplash.com, Siora Photography
Wissenschaft ist dafür da, gesellschaftliche Probleme zu lösen: im Projekt TRANSFER TOGETHER unter anderem zu Themen wie Bildung für nachhaltige Entwicklung, Forschung zu Flucht und Migration oder Diskriminierung. Besonders bei diesen öffentlichen Problemfeldern geht es aber nicht nur darum, dicke Wälzer zu veröffentlichen um sich danach schnellstmöglich dem nächsten Projekt zu widmen. Es ist mindestens genauso wichtig, darüber zu sprechen und sich Vertrauen zu erarbeiten. Aber wie? Ein Gastbeitrag des Transferzentrums.

wissenschaftskommunikation findet heute auf vielen Ebenen statt: Ganz Retro in Pressemitteilungen, Zeitungsartikeln und TV-Interviews, aber auch in sozialen Netzwerken wie Twitter oder Instagram, in Blogs oder Podcasts. Die Möglichkeiten scheinen endlos. So bloggt eine Doktorandin über die Didaktik der Naturwissenschaft, während ein Professor Einblick in seinen Arbeitsalltag in der Medienpädagogik via Twitter gibt. Gleichzeitig versuchen wir, über unsere Projektinhalte im hauseigenen Podcast zu sprechen. Nie war es so leicht, sich über Wissenschaft zu informieren.

Doch wie steht es um das Vertrauen in die Wissenschaft? Vertraut die Öffentlichkeit auf die Handlungsempfehlungen, die aus Deutschlands Forschungslaboren und Bibliotheken schallen? Und wie können Wissenschaftler*innen gewährleisten, dass ihnen vertraut wird?

Das Vertrauen ist da

Das Gute zuerst: Das Vertrauen in die Wissenschaft ist ausgeprägt und (trotz der Diskussion um Fake News) stabil. Laut Wissenschaftsbarometer 2019 vertrauen 56% der Deutschen den Wissenschaftler*innen an Universitäten und öffentlichen Forschungsinstituten “eher” oder “voll und ganz”. Damit steht die Wissenschaft deutlich besser da, als etwa Medien, Politik oder Wirtschaft. Und es wird noch besser: Das Interesse ist auch riesig. 47% wollen demnach gerne einmal bei einem Projekt mitforschen. Gute Voraussetzungen also.

Das grundsätzliche Vertrauen, das den Wissenschaftler*innen hierzulande entgegengebracht wird, hängt maßgeblich von drei Stellschrauben ab, die die Psychologin Friederike Hendriks unterteilt in:

  • Expertise: Verfügt die Person über Fachwissen?
  • Integrität: Handelt die Person nach den Regeln ihres Faches?
  • Wohlwollen: Hat die Person das Wohl anderer im Sinn?

Während die Expertise selten angezweifelt werde, stehen laut Hendriks Integrität und Wohlwollen häufiger infrage. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer andere über Absichten und Motivation für die Forschung nicht aufklärt oder die eigenen Methoden intransparent macht, schadet der Reputation. Eine weitere Erkenntnis: Das ständige Prüfen und Kritisieren von Thesen generiert als Methode Vertrauen, ebenso Ich-Botschaften und die Fähigkeit, Fehler einzugestehen (Studies in Communication Sciences 16(2)).

Vereinfacht gesagt: Wer transparent arbeitet (Integrität), auf Augenhöhe in Kontakt tritt (Wohlwollen) und auch einen persönlichen Einblick (Ich-Botschaften) zulässt, wird in der Regel Vertrauen genießen.

Wie setzen wir diese Erkenntnisse in die Praxis um? Zwei Beispiele:

Podcast: Wissenschaft für die Ohren

Rund 25% der Deutschen nutzen Podcasts, um sich zu informieren. Und wer denkt, dort werde vor allem der Quatsch von Jan Böhmermann oder Florentin Will gehört, irrt: Am häufigsten werden Nachrichten auf die Kopfhörer gestreamt. Rund 20% interessieren sich außerdem ganz konkret für wissenschaftliche Themen. Kein Wunder also, das Wissenschaftspodcasts wie etwa Eine Stunde History zu den beliebtesten im deutschsprachigen Raum gehören.

Podcasts bieten für Wissenschaftler*innen einen verführerischen Rahmen: Viele Podcasts nehmen sich pro Folge (deutlich) mehr als 30 Minuten Zeit und ähneln eher einem Gespräch als einem aufwendig vorbereiteten Vortrag oder Interview. Das lässt nicht nur reichlich Zeit zum Erklären (und Ausschweifungen), sondern ist obendrein auch sehr einfach in der Vorbereitung.

Vielleicht noch wichtiger: Im Gegensatz zum Fließtext können die Wissenschaftler*innen neben ihrer Expertise auch ihre Stimme präsentieren. Das hilft nicht nur dabei, die schwer verständliche Fachsprache abzulegen, sondern vermittelt obendrein einen persönlicheren Eindruck. Die Zuhörer*innen bekommen so auch ein Gefühl vom Menschen hinter der Forschung. Wie oben gesehen, wirken sich solche Ich-Botschaften positiv auf das entgegengebrachte Vertrauen aus.

Wer Interesse daran hat, muss das Rad nicht neu erfinden: Es gibt bereits zahlreiche Wissenschaftspodcasts und Anleitungen im Netz zu finden.

Twitter: Wissenschaft in 280 Zeichen ohne Fußnoten

Foodporn, Prokrastination und wütende US-Präsidenten sind nicht alles, was soziale Medien zu bieten haben. Sie mausern sich langsam auch zu allgemein genutzten Nachrichtenportalen: Rund 33% der Deutschen (auch) soziale Netzwerke, um sich über Wissenschaft zu informieren. Tendenz steigend. Warum nutzen das eigentlich nicht Wissenschaftler*innen für sich? Vor allem im Vergleich zu anderen Ländern herrscht hier noch Nachholbedarf:

“So engagierten sich innerhalb eines Zweijahreszeitraums vor ihrer Befragung nur 24,6 Prozent der in den letzten Jahren vor allem oder ausschließlich in Deutschland forschenden bis 35-Jährigen mit ihrer fachlichen Expertise in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter; ihre Kollegen aus anderen europäischen Ländern taten dies zu 32,1 Prozent, Forschende aus den USA zu 40,7 Prozent und solche aus asiatischen Ländern gar zu 52,3 Prozent.” (Könneker)

Dabei eignen sich soziale Netzwerke hervorragend dafür, Ich-Botschaften zu transportieren. Die Forschenden können direkt in den Austausch mit der interessierten Öffentlichkeit gehen. Entgegen aller bösen Vorahnungen: Untersuchungen haben gezeigt, dass die Nutzung sozialer Netzwerke das Vertrauen in die Wissenschaft sogar stärkt. Twitter bietet dafür besonders spannende Voraussetzungen: Neben reichlich Möglichkeit für Networking schafft der begrenzte Raum von 280 Zeichen eine sprachliche Hürde und Chance zugleich.

Max Wetterauer, Team, Transfer Together
Max Wetterauer

Open Science und Social Media sind die großen Baustellen, an denen Max im Bereich Offene Hochschule tüftelt. Wenn ihm die 280 Zeichen auf Twitter mal nicht ausreichen, stillt er seinen Schreibdurst mit Artikeln hier auf dem Blog. Zu Max’ Projektseite.

Verwandte Beiträge

Comments (4)

[…] Persönlichkeit: Im Gegensatz zum Fließtext können die Wissenschaftler:innen neben ihrer Expertise auch ihre Stimme präsentieren. Das hilft nicht nur dabei, die schwer verständliche Fachsprache abzulegen, sondern vermittelt obendrein einen persönlicheren Eindruck. Die Zuhörer:innen bekommen so auch ein Gefühl vom Menschen hinter der Forschung. Solche Ich-Botschaften können sich positiv auf die Vertrauensbildung auswirken. […]

[…] „Vertrauen in der Wissenschaft“ (Offene Hochschule) von Max […]

Ich finde es sehr wichtig, dass Forschende auch solche Medien und Plattformen, die du genannt hast, aktiv nutzen.
Die klassische Wissenschaftskommunikation von den Forschenden über den Wissenschaftsjournalismus in die klassischen Medien wie Zeitschriften, Nachrichten oder anderen Berichten sind durch ihre (essentiellen) Qualitätskontrollmechanismen sehr langsam im Vergleich zu sozialen Medien und häufig unidirektional.
Ich habe häufig den Eindruck, dass aus zweiter und dritter Hand über die Forschung berichtet wird und Aussagen und Schlussfolgerungen vom Berichtenden ausgelegt und gestreut werden – das geschieht teilweise hoch subjektiv und mit persönlichen Zielsetzungen. Zudem wird auf diesem Weg nicht sichergestellt, dass die Informationen fundiert sind und tatsächlich aus der eigentlichen Forschung und Datenbasis abgeleitet wurden. Um dem entgegenzuwirken ist es so wichtig, dass Forschende sich direkt zu Wort melden, sich in die Debatten einbringen und Rede-und-Antwort stehen.
Es geht mir persönlich nicht darum, das eine durch das andere zu ersetzen, es geht mir eher um eine Ergänzung der klassischen Kommunikationskanäle.
Leider haben wir in Deutschland, wie du oben berichtet hast, keine Tradition für diese Formen der Kommunikation, sie sind in manchen Bereichen nicht erwünscht (vielleicht weil es als unseriös ausgelegt wird) und werden häufig bei Forschungsarbeiten nicht mitgedacht.
Cool fände ich es zum Beispiel, wenn man bei der Planung von wissenschaftlichen Arbeiten und Untersuchungen nicht nur einen Redaktionsplan für klassische Kommunikation erstellt, sondern eben auch für die niederschwelligen sozialen Medien bzw. neueren Formen der Wissenschaftskommunikation. Diese Publikationen gehören in meinen Augen auch zu einer Reputation und sollten in Publikationslisten der Forschenden ebenfalls aufgelistet und gewürdigt werden.

Danke für deinen Kommentar! Ich kann das Gesagte nur unterstreichen 🙂

LG
Max

Hinterlasse einen Kommentar