VOM HOHEN SPRUNG INS KALTE NASS

 

Wasser, Mut, Sprung, Frau, unsplash.com, Orest Yaremchuk
Was haben waghalsige Sprünge vom 10-Meter-Turm mit dem Einfädeln eines Transfernetzwerks gemein? Eine ganze Menge, sagt Melanie. Die Hobby-Springerin schaut für uns hinab in den großen Transferpool und wagt den erkenntnissreichen Sprung ins kühle Nass.

Ein schöner langer Sommer liegt hinter uns. Viel Zeit habe ich auch im Freibad verbracht und nachdem ich den Artikel meines Kollegen Hannu Sparwald gelesen habe, begann ich ebenfalls über eines meiner Hobbies nachzudenken. Jeden Sommertag meiner Kindheit, den ich in meiner Heimatstadt verbrachte, war das lokale Freibad mein Zuhause. Noch bevor ich schwimmen konnte, übte der Sprungturm eine hohe Faszination auf mich aus. Erst das 1-Meter-Brett und dann der 3er. Immer wieder erklomm ich das Sprungbrett und tauchte dann zum Beckenrand. Da stand mein Opa und schaute, dass ich immer wieder aus der für mich unfassbaren Tiefe hochkam. Sein Arm ins Wasser getaucht, der mich an den Beckenrand zieht. Ich lernte schnell schwimmen und irgendwann war der Zehner festes Programm. Das Wasser ist auch heute noch mein liebstes Element. Warum ich das erzähle?

Sprung und Transfer weisen einige Parallelen auf. Basis von beiden Vorhaben ist zunächst der Mut. Den Mut hochzusteigen, abzuspringen, sich fallen zu lassen und in eine andere Materie einzutauchen. So wird beispielsweise eine Bildungsinnovation entwickelt und dieses Produkt soll in die Praxis transferiert werden. Ein Unternehmen zeigt aber beispielsweise andere Erwartungen und Herausforderungen an ein Endprodukt als der Wissenschaftler, der das Produkt entwickelte. Beide Parteien müssen sich auf etwas Neues einlassen und ggf. Kompromisse eingehen, die auch mal schmerzlich sein können. Das zu transferierende Produkt muss individuell angepasst bzw. adaptiert werden und sieht mit hoher Wahrscheinlichkeit nach der Einführung anders aus als zuvor.

Den richtigen Zeitpunkt wählen

Meine Rolle ist diesen Transferprozess zu initiieren, beide Partner zueinander bringen und die Anfangsphase zu begleiten. Dann gilt es aber auch dieses Projekt auch inhaltlich loszulassen, wenn beide Seiten, z.B. Wissenschaft und Kommune ihre gemeinsame Sprache gefunden haben und ins Arbeiten gekommen sind. Dieser innerliche Absprung benötigt Vertrauen.

Jeder Transferprozess ist spannend, aufregend und nicht immer detailliert planbar. Jeder Sprung ins Wasser ist das auch. Ich stehe oben, genieße die Aussicht, lasse den Blick über das Schwimmbad schweifen, atme tief ein und koste diesen kleinen aber feinen Moment vorm Absprung aus. Ich liebe es, wenn die Sonne meine Nase kitzelt und das Wasser bereits auf der Haut getrocknet ist. Die besondere Herausforderung jedes Sprungs ist, dass man selbst entscheiden muss, wann und wie man springt. Der Sprungstart ist selbst getriggert. Keiner zwingt einen. Dieser Moment, – wenn das Adrenalin steigt und der Puls schneller schlägt – für dieses Gefühl springe ich. Und dann gilt es: Beine durchdrücken, abspringen, den Sprung und das leichte Ziehen im Bauch spüren und auf die Eintauchphase warten.

Sprung ins Ungewisse

Die Sprungphase an sich ist kurz und intensiv. Es kribbelt im Magen und mein Körper ist völlig angespannt – vergleichbar zu der Phase im Transferprozess, wenn der Wissenschaftler „sein Baby“, „sein Projekt“ loslässt und anderen übergibt. Dieses Loslassen, dieses Einlassen auf etwas Neues bedeutet auch immer wieder eine Grenzüberschreitung.

Manchmal fragen mich Freunde: Warum machst Du das? Tja, warum eigentlich? Warum manche Menschen nicht gerne springen oder sogar Angst vor der Höhe oder dem Absprung haben, ist mir schleierhaft. “Edgework” nennt die Sozialwissenschaft eine Grenzerfahrung wie den Sprung vom Zehner. Man arbeitet sich im Wortsinne an der Kante (edge) ab.“ Jeder Sprung ist anders und höchst individuell. Jeder Transferprozess auch. Es gibt kein Muster und keine Patentlösung. Die Fallhöhe spielt für den Sprung eine Rolle. Aus fünf Meter Höhe kann es sogar auch mal ein Köpper sein. Aber das sollte man beim Sprung ins Meer oder in den Fluss vermeiden, falls man nicht den Untergrund im Wasser genau kennt. Was sich unter der Wasseroberfläche verbirgt, lässt sich ja auch im Transferprojekt oftmals nur erahnen.

Schmerzhafter Bauchklatscher oder elegantes Eintauchen?

Ob der Transfersprung gelingt? Dies entscheidet die Flugphase. Bleibt alles in Balance? Gerät schon beim Absprung etwas ins Straucheln, kippt die geplante Sprungfigur? Entscheidend ist aber sowohl beim Sprung ins kühle Nass als auch im Transferprozess die Eintauchphase. Das Eintauchen und das Eingleiten ins Wasser kann gleichmäßig, unspektakulär und ohne große Spritzer von sich gehen – voller Harmonie. Der Aufprall kann aber auch gezielt spektakulär mit großer Arschbombe, Xer, Auerbach, spritzender Wasserfontäne etc. ausgeführt werden. Dabei geht es oft auch um die Show, gerade bei den tätowierten, durchtrainierten Halbstarken meines Freibads. Manchmal werden am Beckenrand ein paar Zuschauer nass. Kreischende Groupies am Beckenrand wird es wohl immer geben.

Manchmal geht der Sprung auch gehörig schief und der Aufprall auf die Wasseroberfläche schmerzt so richtig. Bauchklatscher sind nicht nur peinlich, sondern auch schmerzhaft. Dafür wiederholt man sie nur selten und lernt aus jedem Sprung.

Dann schwimme ich zum Beckenrand zurück, atme einmal tief durch, fluche vielleicht kurz und steige dann wieder die Stufen zum Sprungturm hinauf. Der nächste Sprung wird bestimmt besser. Ganz bestimmt!

Melanie Seidenglanz, Team, Transfer Together, MRN
Melanie Seidenglanz

Melanie arbeitet als Transfermanagerin bei der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH. Gemeinsam mit Julika und Timo treibt sie die Vernetzung der PH mit der Region gezielt voran. Als Sprachwissenschaftlerin fühlt sich Melanie von kommunikationstheoretischen Fragestellungen magisch angezogen. Zu Melanies Projektseite.

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Comments (2)

Spannender Einblick!
Wie kann man denn bei einem Sprung, genau wie einem Projekt, trotz misslungener Ausgangslage trotzdem noch eine elegante Landung hinlegen? Welche Faktoren führen umgekehrt dazu, dass trotz eines tollen Startsprung die Landung misslingt und wie kann man dies verhindern?

Vielen Dank für das nette Feedback. Sowohl beim Absprung als bei Projektstart gilt mE folgendes: ist man nicht zufrieden, muss man etwas ändern und nachsteuern z.B. die Position verändern bzw. die Sprungfigur anpassen. Dabei gehe ich immer erstmal von mir selbst aus. Auch nach einem guten Absprung oder Start können sich die Rahmenbedingen ändern und externe Faktoren wie Regen oder Gegenwind verändern die vorherige Ausgangslage. Wie bei allem im Leben gilt es üben, üben, üben bzw. springen, springen, springen. Dann wird schon alles gutgehen 🙂

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